Neues aus Casa de la mujer 2021

Die derzeitige Situation wird von den Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums als sehr unsicher und schwierig beschrieben. Die Pandemie und die Wirtschaftskrise verschärften die soziale Situation, was die ärmeren Bevölkerungsschichten am stärksten trifft. Z. B. gab es in einer Autoteilefabrik in El Viejo, einem der größten Arbeitgeber der Region, viele Entlassungen. Angesichts der prekären Lage nimmt die Emigration weiter zu. Auch setzte die Regenzeit dieses Jahr extrem spät ein, was zu einer Verteuerung vieler Lebensmittel beitrug, so dass viele Familien dringend auf die Überweisungen von im Ausland lebenden Angehörigen angewiesen sind. Hinzu kommen die politische Krise, Berichte über politische Gefangene, eine gespaltene Opposition und die Unsicherheit, wie es nach den Wahlen im November weitergehen wird.

In diesem Kontext halten die Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums ihre Angebote aufrecht, an denen weiterhin ein hoher Bedarf besteht:

• kostenlose Rechtsberatung und anwaltliche Unterstützung für Frauen durch Anwältin Kenia Ubilla

• Psychologische Beratung und Therapie durch Psychologin Orfa Prado

• Gynäkologische Untersuchungen durch Frauenärztin Aleída Ríos

• Nähkurse, Koch-und Back- und Frisierkurse, mit denen Frauen Kenntnisse und ein Zertifkat erhalten, um eine Stelle zu fnden oder als (Solo-)Selbständige zu arbeiten.

Doch damit Frauenrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sind neben den individuellen Angeboten auch gesellschaftliche Veränderungen nötig, zu denen die Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums mit Aktionstagen und regelmäßigen Fortbildungen beizutragen versuchen. 71 Femizide gab es in Nicaragua im Jahr 2020. Auch bei uns werden Frauen umgebracht – häufig von einem ExPartner, der eine Trennung nicht akzeptieren will. Hier wie dort gibt es Männer, die glauben, eine Frau „gehöre ihnen“. Und hier wie dort gibt es Richter, die „mildernde Umstände“ gelten lassen und von einem „Mord aus Leidenschaft“ sprechen. Doch Femizide kommen meist nicht plötzlich, vielmehr sind Männer, die sie verüben, häufig schon vorher in Beziehungen gewalttätig gewesen. Um Frauen zu stärken und sie zu ermutigen, Gewalt anzuzeigen, anstatt sie hinzunehmen, veranstaltet das Frauenzentrum Aktionstage und Vorträge. Anlässlich des internationalen Frauentages fand ein Aktionstag zur Gesundheitsvorsorge mit Angeboten zu gynäkologischen Untersuchungen, Krebsvorsorge, Ultraschalluntersuchungen etc. statt. Diese Angebote gibt es zwar immer, aber mit dem Aufruf, zum Frauentag auch an die eigene Gesundheit zu denken, sollten noch einmal zusätzliche Frauen angesprochen werden. Danach wurde unter dem Motto „Zusammen sind wir die Stimmen derer, die nicht mehr sprechen können“ aus Kerzen ein Band der Solidarität entzündet – im Gedenken an all die Frauen, die Opfer von Gewalt wurden. Auch der früheren Leiterin des Frauenzentrums, Eunice Villalobos, einer Vorkämpferin für Frauenrechte, wurde an dem Tag gedacht.
Dank moderner Kommunikationsmöglichkeiten konnten Aktionstag am 8. März Mitglieder des Nicaragua Forum-Heidelberg und des Städtepartnerschaftsvereins Mannheim-El Viejo live dabei sein und per Videoschalte eine Grußbotschaft überbringen. Nach dieser ermutigenden Erfahrung luden wir die Frauen zu einem Vortrag zum Festival Latino virtuell ein: Bei einer online-Veranstaltung per 19 Zoom konnten die Mitarbeiterinnen des Frauenzentrums so ihre Arbeit einem größeren Publikum in Heidelberg, Mannheim und Umgebung vorstellen. Sororidad – Schwesterlichkeit ist ein neues Schlagwort des Frauenzentrums, unter dem sich Frauen zusammenschließen, um sich gegenseitig zu stärken und vor Gewalt zu schützen. Im Anschluss an die wöchentlich stattfindenden Näh-, Back- und Frisierkurse gibt es Veranstaltungen zur Gewaltprävention. Es geht um Stärkung des Selbstwertgefühls und wie Frauen einander, aber auch ihre Kinder stärken können. Es werden Strategien vermittelt, sich selbst besser zu kennen und anzunehmen, Missbrauch und verschiedene Formen der Gewalt frühzeitig wahrzunehmen und rechtzeitig Hilfe zu suchen. Die Rechtsanwältin Kenia Ubilla und die Psychologin Orfa Prado sprechen von einem Zyklus der Gewalt, in den viele Frauen geraten: Nach einer Phase des Verliebtseins kommt es zu Spannungen und in einigen Fällen zu Gewalt. Wenn auf diese Gewaltausbrüche wieder Reue folgt, sind viele Frauen bereit zu verzeihen. Doch oft geht die Gedenken an Femizide Foto: fz Gewalt weiter. Um diesen Gewaltzyklus zu durchbrechen, benötigen die Frauen Hilfe, aber auch die Bereitschaft, Gewalt anzuzeigen, sie nicht hinzunehmen, sich zu schützen und nicht wegzuschauen, wenn die Nachbarin, die Schwester, die Tochter in eine solche Situation gerät. Hierzu werden sie im Frauenzentrum ermutigt. In den meisten Fällen, mit denen Rechtsanwältin Kenia Ubilla konfrontiert ist, geht es allerdings um Unterhaltszahlungen. Doch auch in solchen Fällen ist oft psychologische oder physische Gewalt im Spiel. Die meisten Fälle können durch Vermittlung und Feststellung der Rechte gelöst werden, nur wenige landen vor Gericht. Aber auch wenn es nur um Geld geht, sind diese Fälle für die betroffenen Frauen und ihre Kinder oft überlebenswichtig. Die Gehälter für die Gynäkologin, die Psychologin und die Rechtsanwältin werden vom Nicaragua Forum Heidelberg mit Ihren/Euren Spenden finanziert, während das Gehalt für die Koordinatorin Erika Solis vom Städtepartnerschaftsverein Mannheim-El-Viejo finanziert wird.

Dieser Beitrag ist ursprünglich im „Nicaragua Aktuell Juli 2021„, Nicaragua Forum Heidelberg erschienen. Ab S. 15 Verfasst von Sabine Eßmann.

Bildnachweis: Casa de la mujer El Viejo